Perspektivenwechsel:
Rekrutierung im Assistenzbereich – auch hier müssen die Arbeitgeber umdenken
Überall im Personalbereich stolpern wir inzwischen über die gleichen Anglizismen vom Employer Branding
(Arbeitgebermarkenbildung/Positionierung der Firma als Arbeitgeber) über Employee Attraction (Gewinnung von Mitarbeitern) bis hin zu Employee Retention (Bindung von
Mitarbeitern/innen an das Unternehmen). Diese Schlagwörter tauchen insbesondere in Verbindung mit der aktuellen Arbeitsmarktbeschreibung (Arbeitnehmermarkt) und den Schwierigkeiten,
die richtigen Mitarbeiter/innen zu finden auf. Umso erstaunlicher ist es, dass die sogenannten Hiring Manager (die Mitarbeiter für sich oder ihre Abteilung gewinnen möchten) in vielen Fällen noch
nicht realisiert haben, dass auch eine professionelle kaufmännische Assistentin (f/m) längst eine Fachkraft ist, die schwer zu finden und für sich zu gewinnen ist.
Die Assistenz als Fachkraft
Insbesondere in Deutschlands Ballungszentren und damit dem Firmensitz vieler Konzerne und potentieller Arbeitgeber, ist es in den
vergangenen zehn Jahren zunehmend zu einem Mangel an Assistenten/innen im kaufmännischen Bereich gekommen. Es lohnt sich hier genauer hinzuschauen und zu hinterfragen, ob dies ein rein
demographisches Problem oder auch ein Wandel in der Position der Assistenz selbst ist. Beides ist hier der Fall. Zum einen bescheren uns die sinkenden Geburtenraten deutlich weniger Fachkräfte. Zum
anderen finden wir im Bereich der kaufmännischen Assistenz aber auch immer weniger ungelernte Kräfte oder Quereinsteiger. Das Berufsbild der Assistenz hat sich entwickelt von der einfachen
Schreibkraft hin zur inhaltlichen Unterstützerin. In dieser neuen Rolle ist eine breite Palette von persönlichen, aber auch fachlichen Kenntnissen gefragt. Die Kombination beider Komponenten macht
eine professionelle kaufmännische Assistenz aus und verlangt dieser Rolle ein breites Maß an Fähigkeiten ab.
So zeichnet sich eine Top-Assistenz dadurch aus, dass sie weniger „Rampensau“ auf der Bühne, sondern vielmehr Schnittstellenmanager/in
im Hintergrund ist. Sie ist flexibel, service-orientiert, handelt umsichtig kompetent im Sinne Ihres Arbeitgebers und damit auch unternehmerisch. Sie ist loyal, weiß um Inhalte und Prioritäten und
jongliert souverän parallel laufende Prozesse. Sie ist kommunikationsstark und in der Lage, sich auf verschiedene Persönlichkeiten einzustellen. Lange schon ist sie nicht mehr Befehlsempfänger, als
vielmehr Unterstützer und „sparing partner“ bei unternehmensrelevanten Entscheidungen. Und so gewinnt die Assistenz an Bedeutung, je mehr sie eingebunden wird. Es sind diese persönlichen Stärken, auf
die der Arbeitgeber im Rekrutierungsprozess besonderen Wert legen sollte.
Im Hinblick auf die fachliche Qualifikation sind im Assistenzbereich kaum Grenzen gesetzt. Das Spektrum reicht von der kaufmännischen
Lehre, über eine fremdsprachliche Sekretariatsausbildung bis hin zum abgeschlossenen Studium, sei es im betriebswirtschaftlichen oder fachlichen Bereich. Es wäre fatal aus Arbeitgeberposition,
Mitarbeiter/innen hier klein zu halten, wenig ausgebildetes Personal zu rekrutieren und dennoch zu erwarten, dass man qualifizierte kaufmännische Assistenten/innen für sich gewinnen und langfristig
binden kann. Der Arbeitgeber muss hier nicht nur Diplome und Berufserfahrung berücksichtigen, sondern ein Interesse für die Position entwickeln, um diese in gemeinsamer Zusammenarbeit zu gestalten
und zu fördern, den Qualifikationen und Möglichkeiten der einzelnen Mitarbeiter/innen entsprechend. Auch in der Assistenz muss eine Potentialanalyse als HR-Tool zukünftig eingesetzt
werden.
„We buy the attitude and add the knowledge“
Dieses Motto sollten die Arbeitgeber auch im Hinblick auf die Assistenz beherzigen. So ist es sinnvoll, Mitarbeiter/innen zu gewinnen,
die die richtige Einstellung für die Assistenz mitbringen, gleichzeitig aber auch das Potential haben, sich in dieser Rolle weiterzuentwickeln. Mit gezielten Weiterbildungsmaßnahmen, steigt die
Mitarbeiterbindung (Employee Retention) sowie die Motivation und Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer/innen: eine klassische „Win-Win-Situation“ als optimales Ziel einer langfristigen und guten
Zusammenarbeit. Grundlage für eine solche Entwicklung ist das Vertrauen in und die Wertschätzung an die Person und ihre Aufgaben. Hier drückt oftmals der Schuh, weil der Arbeitgeber nicht um die
Bedürfnisse und Werte seiner Mitarbeiter/innen weiß. Bei der Rekrutierung sollte bereits im Interviewprozess auf die richtigen Fragen geachtet werden: Passt der/die Mitarbeiter/in zu unserer
Unternehmenskultur (Cultural Fit)? Was sind die Erwartungen an das persönliche Umfeld? Wie sieht er/sie seine/ihre Rolle heute und möglicherweise in Zukunft? Was braucht er/sie, um gut arbeiten zu
können? Kann man ihn/sie langfristig ausreichend fordern und fördern?
Die Assistenz ist kein Labor-Mitarbeiter ohne persönlichen Kontakt, sondern vielmehr die Drehscheibe der Kommunikation. Vor diesem
Hintergrund wird sie in aller Regel gewisse Ansprüche an die Unternehmenskultur haben. Es wird grundsätzlich wichtig für sie sein, wie der Umgang mit Mitarbeiter/innen und Kollegen/innen im
Unternehmen ist und es ist Aufgabe des Arbeitgebers im Rahmen des „Employer Brandings“ auch auf diesen Punkt besonders einzugehen.
Arbeitgeber müssen sich in Zukunft ebenso präsentieren, wie ihre
Bewerber/innen
Mit dem Wandel des Arbeitsmarkts vom Arbeitgebermarkt (mehr offene Positionen als Bewerber/innen) hin zu einem sogenannten
Arbeitnehmermarkt (weniger Bewerber/innen als Positionen) ist es umso wichtiger für Arbeitgeber geworden, das Unternehmen und die Position attraktiv zu präsentieren. Der Trend zur unpersönlichen
Online-Bewerbung und der Auswahl mittels KI (Künstlicher Intelligenz) mag effizient und kostenersparend erscheinen, wird allerdings insbesondere im Hinblick auf Assistenz-Positionen nicht zu
nachhaltigem Erfolg führen. Auch allgemein gehaltene Stellenanzeigen in Print- oder Online-Medien kann man sich getrost sparen, wenn man gute Assistenten/innen gewinnen möchte. Hier sind Kreativität,
ansprechende Bilder und auch die Fähigkeit gefragt, die ganz individuelle Position mit ihren besonderen Herausforderungen oder Leistungen darzustellen. Und auch hier versagen viele Firmen und wundern
sich, dass gute Bewerbungen ausbleiben. Grund dafür ist, dass das Umdenken in vielen Firmen noch nicht stattgefunden hat. Die Arbeitgeber müssen lernen, sich 2019 selbst zu vermarkten und
Wertschätzung für die Position der Assistenz zu leben. Hierzu gehören ein umfassendes Briefing aus dem Umfeld der Assistenz, eine klare Stellenbeschreibung und ein Bewusstsein für die
Unternehmenskultur. Alles ist möglich, man muss es nur tun!
Kathrin Wood, Januar 2019